Ferne, fremd-vertraute Welt
- Rut Bantay
- 1. Nov. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Apr.
Diese Woche bringt mehreres Schöne zusammen:
Zunächst gibt es zwei Wiedersehen, zum einen mit unserem künstlerischen Chef Michael Francis, der mit Probenbeginn für unser Konzert am Sonntag gleich die nächsten drei Wochen und Projekte leiten wird und zum anderen, - mir liegt hier fast in den Fingern „Haus- und Hof-Solisten“ zu schreiben, mit dem wunderbaren Musiker und Cellisten Maximilian Hornung, mit dem wir glücklicherweise bald jede zweite Spielzeit in den vergangenen Jahren konzertiert haben. So erinnere ich mich an ein unglaublich emotional-berührendes Saint-Saëns-Konzert, zweimal Dvorak, davon einmal als Aufnahme im Lockdown, Tschaikowskys Rokoko-Variationen, Strauss „Don Quixote“, Elgar und diese Woche sich nahtlos in unser französisches Programm mit Dukas „Zauberlehrling“, Debussy „La Mer“ und Ravel La Valse einfügend, das Violoncello-Konzert „Tout un monde lointain“ von Henri Dutilleux (*1916 - 2013).
Ich bin ja selber Cellistin und so liegt es nahe, dass ich hier besonders auf dieses Werk eingehen möchte, auch, weil ich mir vorstellen kann, dass diese Musik dem ein oder anderen näher gebracht werden könnte, also ans Herz gelegt werden müsste. Und wer könnte dies überzeugender vollbringen als unser Solist!
Ich habe mir im Vorfeld der Probenphase erlaubt, ihn mit einem Gespräch darüber „zu überfallen“ und er war so nett und hat sich die Zeit genommen.
Das Werk bezieht sich in den Satzbezeichnungen, aber auch schon im Titel auf Gedichte von Charles Baudelaire aus seiner Sammlung „Les fleurs du mal“. Es sind dies Gedichte unter der Spannung des Beziehungskontrasts zwischen Aufstieg und Absturz, Liebe und Tod und Traum und Wirklichkeit. Hier fiel auch im Austausch mit unserem Solisten schon das erste Stichwort: so beschreibt er die Musik Dutilleux‘, die Klangsprache des Cellokonzerts mit einer Traumwelt, die so vertraut wie absurd sein kann, sich unserer Logik entzieht und dabei schroff, äußerst beklemmend, aber doch im weitesten Sinne wunderschön sei. Es gibt immer wieder versöhnliche Harmonien, die ihn persönlich an die Musik Messiaens in seiner Turangalîa-Sinfonie erinnern.
Der Cellopart ist ungewöhnlich, schwer und komplex, dabei stark mit dem Orchester verwoben, weshalb dem Dirigenten, unserem Dirigenten, eine zentrale und zusammenführende Rolle zukommt.
Dieses Werk erfordert deutlich mehr als bei den „gängigen Solistenkonzerten“ eine gute Absprache und Organisation auch im Vorfeld und so beschreibt es Maximilian Hornung als besonderen Glücksfall, schon so lange und wiederkehrend mit Michael Francis, aber auch unserem Orchester zusammen zu arbeiten.
In der Regel gibt es vor der ersten gemeinsamen Probe ein Treffen mit dem Dirigenten, bei dem technisch Übergänge geklärt werden, man sich über die Interpretation austauscht und einigen möchte. Das „Kennen“ schafft großes gegenseitiges Vertrauen, gibt auf beiden Seiten - wenn ich da auch aus Orchestersicht sprechen darf, denn das strahlt unser Solist immer aus, (traumwandlerische) Sicherheit und dadurch Freiheit im Moment der Aufführung.
Zurück aber zu Dutilleux: was hat dies mit mir zu tun, kann ich mir das Stück „einfach so“ anhören? Ja, aber unbedingt, denn diese Musik funktioniert nicht über das Bewusste, ich muss zuvor nicht die Gedichte Baudelaires analysiert haben, - trotzdem angefügt eine Übersetzung von „Le poison“, da der zweite, langsame Satz davon inspiriert ist- sondern entfalte seine Wirkung über das Unterbewusstsein. Unser Cello-Solist beschreibt diese wie nach einer Akkupunktur bei Verklingen der Töne: letztlich löst sich der Knoten und alles falle von einem ab, man hört und ist überwältigt.
Um nochmals auf „Turangalîa“ zurückzukommen: Messiaen stellte sein Werk in den Mittelpunkt einer Trilogie über die Liebe. Und so beschreibt Maximilian Hornung die versöhnlichen Momente in Dutilleux‘ „Tout un monde lontain“ ebenso: es klingt dann berückend schön, als knüpfe man an eine Liebe an, die bedingungslos ist, über Grenzen und Gegensätze hinweg.

C.D.Friedrich: "Der Mönch am Meer"

Konzerttermin: Sonntag 5.11.23, 18Uhr im Musensaal, Congress Center Rosengarten in Mannheim
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