Not-Helfer
- Rut Bantay
- 11. Jan.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Apr.
Wussten Sie eigentlich, dass mein Geburtsname Nothelfer ist? Ja, das ist jetzt erst mal nicht so naheliegend, da ich eine koreanische Mutter habe und doch optisch sehr nach ihr komme. Mein Vater ist (war😢) aber gebürtig aus dem Ulmer Raum, wo diesem Nachnamen doch recht häufig begegnet werden kann. Wenn ich dann früher einmal kurzfristig als Orchesteraushilfe eingesprungen bin oder für erkrankte Kollegen gar eine Kammermusik übernommen habe, hörte ich doch des Öfteren, mein Nachname wäre ja wohl „Programm“…
Heute jedoch habe ich selber einen großen Helfer in der Not gebraucht. Wenn ich hier die Geschichte des Konzertabends, der gestern in Kaiserslautern über die Bühne gegangen ist, aufschreibe, dann kann ich es beim Tippen fast selber noch nicht glauben: es war wirklich nicht nur eine Verkettung, sondern eine Anhäufung von unglücklichen (und dann final doch noch glücklichen: ich sehr!!) Umständen. Jetzt aber mal ganz von Vorne, quasi aus dem Orchesterbus steigend:
Die Fruchthalle in Kaiserslautern beinhaltet einen - nach mehreren Umbauten, denn ganz ursprünglich diente das Gebäude der Neorenaissance im Stil eines florentinischen Palazzos als Markthalle für Getreide, - sehr schönen, etwas überakustischen Saal, der im ersten Stock über eine breite Haupttreppe und Foyer zu erreichen ist und sogar noch eine weitere Ebene mit umlaufender Galerie enthält. Dazu natürlich Vorder- und Hintereingang, kleine Künstler-Wendeltreppe, große Freitreppe zentral usw. Warum ich so langatmig aushole: als ich heute vor der Anspielprobe zu den im untersten Geschoß abgestellten Instrumentenkisten lief, musste ich sofort mit Schrecken erkennen, dass die Doppelkiste mit meiner Nummer nicht da stand. Um die bange Gewissheit gänzlich zu erlangen, öffnete ich vorsorglich die anderen beiden Cellotransportkisten, aber mein Instrument war nicht da! Siedendheiss wurde mir sogleich bewusst, was passiert sein musste: zur vormittäglichen Probe für das Projekt nächste Woche, nach unserem letzten Konzert in Mainz vergangenen Mittwoch, mussten gestern alle Instrumente wieder in die Philharmonie gebracht werden. Nach Proben-Ende, mussten die Kisten dann wiederum für Kaiserslautern gepackt werden. Viel Aus- und Einladen und viel zu beachten, gerade auch bei unterschiedlich benötigtem Schlagwerk. Da ich nächste Woche nicht dabei bin, wurde meine Kiste zwar in die Philharmonie gebracht, aber nach der Probe, bei der ich ja daher auch nicht zugegen war, nicht wieder eingeladen. Erstes unglückliches Kettenglied: ich hatte es versäumt, im Vorfeld Bescheid zu sagen, dass mein Cello aber trotzdem noch in der Kiste steckt und wieder mit muss. Es ist ja auch kompliziert: manchmal benötigen wir bis zu vier Doppelkisten, dann wieder nur zwei, weil sich Kolleg*innen entscheiden, lieber selbst das Instrument mitzunehmen… in jedem Fall passt aber immer mein lieber Cellokollege Martin auf, dass auch alles dabei ist. Nur, zweites verunglücktes Kettenglied, der Ärmste ist erkrankt und war heute Morgen daher nicht da, das wusste ich ja aber auch nicht.
Hilft also Nichts, keine Zeit zu Jammern oder gar in Schockstarre zu gefrieren: sofort hat einerseits unser Orchesterdirektor beherzt zum Telefon gegriffen, nicht umsonst gibt es ja auch in Kaiserslautern ansässig ein Orchester (- die aber zeitgleich eine grossbesetzte Probe hatten), wie genauso liebe Kolleg*innen, die jemand kennen, der/die jemand kennt und evt. mal kurz ein Cello leihen würde. Letztendlich hat es funktioniert - schien es zu funktionieren🥴; die Anspielprobe durfte ich noch auf einem Kollegen-Cello absolvieren, der währenddessen pausierte, denn die Rettung nahte um kurz nach 19Uhr. Optimistisch machte ich mich also durch den Saal und Foyer runter über die Haupttreppe auf zum vereinbarten Treffpunkt, um das Leihcello entgegen zu nehmen. Aber niemand kam. Es wurde 19:15, immer noch kein Cello in Sicht. In größter Not beschloss ich mich wenigstens schon mal gaaaanz schnell im zweiten Stock hinter der Galerieebene in der für uns vorgesehenen Garderobe umzuziehen. Mittlerweile - 19:20, rannte ich wieder ins Erdgeschoss, aber das Instrument, bzw. das Mädchen mit selbigem, kam nicht. Verzweifelt und am Überlegen, was ich nur tun könnte, erblickte ich plötzlich an der Schlange zum Einlass einen Mann mit knallorangem Cellokoffer. Meine letzte Hoffnung! Ich sprach ihn einfach an (- sonst überhaupt nicht meine Art! -) und fragte ihn, ob er mir mal eben ganz schnell sein Instrument aushändigen würde für das Konzert. Zum Glück bin ich da an einen sehr spontanen und hilfsbereiten Zeitgenossen geraten, denn kurzerhand durfte ich sein Cello, inzwischen fünf Minuten vor Beginn, mit hinter die Bühne nehmen. Dort traf ich auf meinen anderen Kollegen, der ja eben noch für mich pausiert hatte und dieser hielt mir freudestrahlend ein weiteres Cello entgegen: er hatte, da ja Zwangs“arbeitslos“ während der Anspielprobe, helfen wollen und hatte am vereinbarten Treffpunkt, nur wenige Minuten bevor ich über die Haupttreppe nach unten kam, das andere Cello entgegengenommen und über die Künstlerstiege heraufgebracht. Wie Hase und Igel in der Fabel sind wir also aneinander vorbeigerauscht- er in dem Fall als „Erster, bin schon da“ und ich als hechelnder Hase hinterher. Da war es nun also 19:28 und aus der Cello-Not war doch tatsächlich ein Überfluss geworden. Ich habe dann aber auf dem Instrument „meines Nothelfers“ gespielt. Wie es war? Also, das Cello ging ganz fabelhaft, die Rut war aber recht adrenaliert und so ist das herrliche Brahms-Violinkonzert ganz schön an mir „vorbeigerauscht“. Zu den Ouvertüren im Dvorak hatte ich meine Fassung wiedererlangt und konnte die wunderschöne Musik genießen…
Mein Retter kam übrigens gerade vom Unterricht an der Emmerich-Smola-Musikschule und Musikakademie Kaiserslautern und hatte es zeitlich nicht anders einrichten können, als das Instrument einfach ins Konzert mitzunehmen. Er ist ein unglaublich kreativer und experimentierfreudiger Cellist (mit anderem Hauptberuf), denn hier kann man sich einen tollen Eindruck von seinen Projekten der Komposition, Improvisation, Instrumentenbau und seinen weiteren Werken machen:
Außerdem hängt derzeit eine Ausstellung, in diesem Fall ist es Fotografie mit Bearbeitung und Bildverfremdung, im Treppenhaus der Musikschule:
Vielen herzlichen Dank, Matthias Eichhorn!

*wir mit dem Nothelfer (Paesold-Cello)🎶🚑🧡
„Wenn die Seele Seiten hätte, wären es Cellosaiten(…)“ Wolfram Huschke, Cellist
Danke für Deinen Kommentar, bzw. Deine Sicht. Ja, ich weiß, wir sind uns zweimal eigentlich über den Weg gelaufen, und ich hatte mein Cello nicht „selbst vergessen“, aber die Geschichte war eh schon so verworren, so dass es für mich für die Nacherzählung einfach viel wichtiger war, dass ich nach dem (scheinbar) vergeblichen Warten glücklicherweise doch auf Dein Cello zurückgreifen konnte und Dich aber tatsächlich noch gerade so beim „entern in den Saal“ erwischt habe. Hab ein schönes Wochenende, - ich hab das jetzt echt nötig🙈 und das Huschke-Zitat ist natürlich von Deiner Website „gemopst“.
Danke liebe Rut für Die Schilderung der Situation und Erklärung aus Deiner Sicht, wie das hat alles seinen Verlauf nehmen können. Dass Du letzendlich mein Instrument spieltest ist um so ehrenvoller. Adrinalin Pur verät der Moment der ersten Begenung im Treppenhaus - als Du auf das Instrument mit einer Kollegin hast warten müssen. Anspannung pur. Und ich war gar nicht die Vereinbarung des Treffen. Deswegen ist mein Kommnetar hier nun länger und azsführlicher - aus meiner Perspektive - mit fast genauem Wortlaut 1 zu 1 deises Moments in meinem Bericht. Danke für deine zusätlichen Angaben zu meiner Präsenz und Demo als Cello infizierter Hobby Impuls Geber. Du zietierst zudem Wolfram Huschke. Er hat mich infiziert, zu meinem Akustik Instrument mi…