Pegelstände
- Rut Bantay
- 6. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Oh weh, ich glaube, ich fühle mich heute etwas ermattet, als ob mir jemand eins „übergebraten“ hätte oder kurz: ich denke, ich habe einen Kater! Aber nicht, was Sie jetzt vermuten: nein, um die Häuser gezogen bin ich spät abends nicht mehr, sondern es handelt sich um einen Konzert-Kater. Ja, das gibt es und so geht es mir immer mal nach besonders fordernden, adrenalingeladenen Konzertabenden. Die erste Hälfte war doch zum Dahinschmelzen, oder?
Revuepassierend hier einige Fotos aus der zweiten Hälfte, stibizt von der Facebook-Seite der Staatsphilharmonie:



Einerseits bin ich manchmal froh darum, selbst die Musik spielen zu können, zu denjenigen zu gehören, die den Notentext dann wie gestern Abend für Sie hörbar machen dürfen, denn die Konzentration und der Fokus beim Spiel helfen mir persönlich, mich nicht völlig von der Emotion mitreißen zu lassen, quasi einen kleinen, letzten Sicherheitsabstand zu wahren. Andererseits bedaure ich auch, nicht so oft in den Genuss zu kommen, einfach „nur“ dabei sein zu können und das Zuhören zu genießen. Besonders bei der „Harmonielehre“ von John Adams, ein Werk, welches von allen Musikern große Konzentration erfordert, bei dem einem die Taktwechsel wie Dynamiken nur so um die Ohren fliegen und man schon im Orchester sitzend so Vieles wahrnehmen kann, wie die eigentümlichen Klangflächen, ein regelrechtes Flirren, welche sich plötzlich durch das exakte Ineinandergreifen der verschiedenen rhythmischen Muster gegen- und miteinander ergeben, - da frage ich mich immer, wie es wohl im Parkett klingt, oder die immense Lautstärke, die sich besonders zum Finale einstellt: diese können wir Instrumentalisten vermutlich noch viel stärker im Körper spüren, als Sie, liebes Publikum im Saal. Dennoch kann ich dann am Taktstrich, wenn der letzte Akkord verklungen ist, oftmals gar nicht beurteilen, wie es denn nun eigentlich genau war, was oder vorallem wie unsere Aufführung wohl angekommen ist. Gestern hat es mich besonders gefreut wie enthusiastisch Sie uns applaudiert haben, wie dieses für alle Beteiligten wie Zuhörer ungewöhnliche Werk auf Sie gewirkt hat. Das Schwierigste an den „Modern Times“-Programmen sind nämlich für mich Musikerin nicht nur die teils bisher noch nie gespielten Werke, die zumindest für mich eine noch intensivere und eingehendere Vorbereitung(szeit) benötigen, sondern stellt die Tatsache dar, dass jeder dieser Abende nur einmal über die Bühne geht: wenn es die Möglichkeit gibt, ein Konzert-Programm gleich drei- oder viermal aufführen zu können, gewinnt man bei jeder Aufführung, die trotzdem einzigartig sein wird, da der Saal vermutlich ein anderer ist, die Aufstellung auf der Bühne, die Akustik sich unterscheidet oder weil man eben nicht jeden Tag „der Gleiche“ ist, trotzdem an Möglichkeiten selbst noch besser oder Anderes während des Spiels zu hören. Man entdeckt immer wieder Neues, was einem vielleicht sogar in den Proben noch nie aufgefallen ist und gewinnt durch die „Wiederholung“ an Übersicht und oft auch eine Freiheit im Zusammenspiel.
Nun, was also tun gegen den Konzert-Kater? Für mich gibt es nur ein Rezept: immer weiter machen! Nächste Woche steht uns mit der „Turangalîla-Sinfonie“ eines der größten, farbenreichsten, expressivsten, rhythmisch forderndsten und in seiner Klangvielfalt und Besetzungsgrösse einzigartiges Werk bevor: ich greife also zum Cello… Falls Sie, liebes Konzertpublikum, sich heute in ähnlicher Verfassung vorfinden, dann lässt sich mein Rezept sehr einfach auf Sie übertragen: Dranbleiben!
Kommen Sie gerne am Sonntag um 18Uhr in die Philharmonie zur „Die Geschichte vom Soldaten“ von Igor Strawinsky, dann weiter am Freitag, 13.9. am späteren Abend zum „Festival Talk“ ins Foyer der Philharmonie und zuletzt sehen wir uns am Samstag den 14.9. wieder um 19:30 im Pfalzbau zum Konzert.
Ich zähle auf Sie, denn wir müssen miteinander anstoßen! 😉 ( Also den „Klang-Pegel“ halten und so…)
Herzliche Grüße den Cellobogen in die Hand nehmend,
Ihre Rut Bántay
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