Uralte Kamele - Bravouröse Beiträge
- Rut Bantay
- 3. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Apr.
„Das Buch von der Tausendundeinen Nacht gehört zu den Büchern, die schon in den Tagen unserer Kindheit unsere Phantasie in Bewegung gesetzt, unseren Puls beschleunigt und unsere Wangen gerötet hat. [...] Sie waren aber doch nur schöne Märchen, die zu den Ammenerzählungen getan wurden, als uns die Geschichten von kühnen Afrikaforschern und Nordpolfahrern zu fesseln begannen, und es blieb von ihnen nur eine undeutliche Vorstellung phantastischer Dinge in uns zurück, die aber [...] zum Gegenstand des gebrauchten Vergleichs (dienten):
wunderbar wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht." - Karl Martin Schiller, 1926, als Herausgeber der Neuauflage der Breslauer Ausgabe von Max Habicht von 1824
Dieses Zitat ist mir bei meiner „Recherche“ zu unserem dieswöchigen Programm mit 2x Shéhérazade - die ganz bekannte von Nikolai Rimski-Korsakow und die (zumindest für mich noch bis vorgestern) weit weniger oft Gespielte und bekannte für Singstimme und Orchester von Ravel - über den Weg gelaufen. Das trifft es doch, denn jeder kennt wohl gemeinhin einige Geschichten aus der Sammlung der Erzählungen „Tausend und eine Nacht“, oder weiß um die Rahmenhandlung, quasi die Klammer, die die vielen ineinanderfolgenden Schachtelgeschichten zusammenhält: Shéhérazade, die Tochter des Wesirs, erzählt Sultan Schahriyar und ihrer Schwester Dinarazad jede Nacht eine „Fortsetzungs“-Geschichte und beschließt dann morgens an denkbar spannender Stelle den Vortrag. Dies ist auch äußerst klug, denn der Sultan hat den Glauben an die Treue der (Ehe)Frau verloren, wurde er doch von seiner eigenen betrogen und so schwor er sich, jeden Abend Hochzeit zu feiern mit einer Jungfrau, um diese im nächsten Morgengrauen nach der Hochzeitsnacht umbringen zu lassen. Shéhérazade schafft es durch Ihre nächtlichen Erzählungen diese Spirale der Gewalt zu unterbrechen und mehr noch, nach „1000+1“ Geschichte den Sultan letztlich von Ihrer Klugheit, Treue und Integrität zu überzeugen.
Eigentlich sind die Geschichten eine Sammlung von Erzählungen, Gedichten, Anekdoten und nicht einfach nur Märchen (und schon gar nicht für Kinder, denn die Beschreibungen haben teilweise erotischen Charakter) aus dem arabischen, persischen und indischen Kulturraum. Die „erste“ noch zum Teil erhaltene Handschrift ist aus dem 15.Jahrhundert von dem französischen Orientalisten Galland erhalten, sicher sind die Urfassungen aber viel früheren Ursprungs ab 250-500 nach Christus.
Durch die künstlerische Rezeption in Film und Literatur sind die heute wohl bekanntesten Erzählungen „Ali Baba und die sieben Räuber“, „Sindbad, der Seefahrer“ und „Aladin und die Wunderlampe“. Sowieso war ich überrascht, in wievielen Gattungen (Oper, Film, Literatur, Musical) das Thema der Shéhérazade sich wiederfindet oder wieviele Autoren und Komponisten sich dadurch inspiriert sahen.
Der russische Komponist Nikolai Rimski-Korsakow schrieb seine sinfonische Dichtung „Shéhérazade“ 1888 in vier Sätzen, denen er zunächst programmatische Titel gab, die er aber später wieder zugunsten „einfacher“ Tempobezeichnungen zurücknahm:
Das Meer und Sindbads Schiff
Die Geschichte vom Prinzen Kalender
Der junge Prinz und die junge Prinzessin
Feier in Bagdad. Das Meer. Das Schiff zerschellt an einer Klippe unter einem bronzenen Reiter
Der erste Anfang beginnt unvermittelt mit dem ungestümen, harschen Thema des Sultans. Gefolgt von Holzbläserakkorden ergreift sogleich die Solovioline mit ihrer „Geschichten-erzählenden“ Kadenz, die in jedem Satz wieder aufgenommen wird, sich wandelnd von introvertiert-traurig, bis verzweifelt, überzeugend und zuletzt Hoffnung und Optimismus-verkündend, das Wort. „Die Solovioline“ ist hier natürlich unsere Konzertmeisterin YiQiong Pan, die uns mit ihrem feinen, emotionalen und ergreifend-virtuosen Spiel verzaubert hat! Überhaupt war dies heute ein Abend der phantastischen Kollegen-Leistungen in Wörth:
neben dem Hauptwerk von Rimski-Korsakow und dem gleichnamigen Stück von Ravel mit der wunderbaren Eva Vogel als Mezzosopran-Solistin, haben wir noch als Ouvertüre das „Prélude à l’après-midi d’un faune“ von Debussy gespielt, in dem die Flöte - unsere Soloflötistin Hanna Mangold, leichtfüßig und wunderbar zart mit makellosem Goldklang den alleinigen Anfang zelebrierte. Auch im Ravel zeichnete Hanna die tragende Rolle neben der warmen Gesangs-Stimme. Den Prinzen „Kalender“ aus dem zweiten Satz von Korsakow mimte unser stellvertretender Solofagottist Jakob Fliedl, kreativ, immer wieder überraschend und überzeugend. Jetzt muss ich eigentlich gleich alle weiteren brillanten Solisten auch noch nennen, wie unseren erst seit Kurzem bei uns spielenden Solotrompeter Anton Keller, von wogenden Wellen aufsteigend mit Schmelz, unseren Solocellisten Florian Barak, sowie nicht zuletzt mit der neuen Lieblingsharfe, Frauke Adomeit, Prinzessin Shéhérazade begleitend. Bravi, Ihr wart alle wahnsinnig toll!
Normalerweise würde ich jetzt hier ja den Link für das morgige Konzert in Ludwigshafen im Pfalzbau hinterlegen, aber das wäre „vergeblich“, denn es ist bereits ausverkauft. Am Samstag spielen wir zum zweiten Mal überhaupt in Wiesloch im Palatin Kongresshotel,
gefolgt von dem letzten Konzert dieses Programms in Pirmasens am Sonntag. https://www.staatsphilharmonie.de/de/programm/gastkonzert/1787
Für beide Veranstaltungen am 5. und 6.4. gibt es wohl noch Karten!
Ich freue mich auf Sie und woge bis dahin weiter auf den Wellen des großen Ozeans - das sind nämlich bald nach Beginn im ersten Satz wir Celli:

Herzliche Grüße und gute Nacht,
Ihre Rut Bantay
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