Perelin, der Nachtwald
- Rut Bantay
- 13. Mai 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Apr.
Heute habe ich, um einen Anfang für meinen Text zu finden, ein wenig die BR-Klassik-Site und die Werkeinführung vom WDR zu Dvoraks 7ter befragt. Auch heute (Vormittag) haben wir nämlich begonnen eben jene Sinfonie zu proben für unsere Konzerte am Mittwoch in Landau, einem etwas weiteren Abstecher in Vaduz am Donnerstag, gefolgt von noch zwei Konzerten in Karlsruhe und Mainz am Freitag und Samstag. Auf dem Programm, das unser Gastdirgent der Woche Gábor Káli leitet, steht zudem das 2.Violinkonzert von Belá Bartók mit Christian Tetzlaff als Solist.
Eigentlich haben wir die siebte Sinfonie von Antonín Dvorák erst vor 1,5 Jahren das letzte Mal gespielt und davor natürlich auch: also das Werk ist bekannt und „in den Fingern“. Trotzdem schien mir die Zeit heute wie im Flug zu vergehen und für den ersten Probenüberblick gar nicht auszureichen; wie gut dass es morgen und am Mittwoch noch weitere Proben gibt, denn die Musik ist so vielschichtig und komplex, reich und lebendig, voller düsterer und heller Farben, verschiedenster Stimmungen und Emotionen. Dvorák selbst soll über das Komponieren zu seinen Schülern gesagt haben: „Einen schönen Gedanken zu haben ist nichts Besonderes. Der Einfall kommt von selbst und wenn er schön ist, dann ist das nicht das Verdienst des Menschen. Aber den Gedanken gut auszuführen und etwas Großes aus ihm zu schaffen, das ist das Schwerste, das ist – Kunst!" So fühle ich mich in meinem Eindruck bestätigt, denn es scheint keine überflüssige Note oder gar Floskel zu geben, selbst die kleinen Nebenstimmen sind so wichtig und jedes Motiv wird durchgearbeitet. Dabei beginnt der erste Satz erstaunlich dunkel und bedrohlich. Erst das zweite Thema lässt nach der anfänglichen Strenge, Sturm und Aufbrausen etwas Aufatmen.
Bei dem Werk, welches im Auftrag der Philharmonic Society in London entstand, orientierte sich Dvorák als Vorbild an der dritten Sinfonie, deren „dramatischer Ernst“ ihn sehr beeindruckte, von dem verehrten Johannes Brahms.
Ich habe heute die Probenatmosphäre sehr angenehm empfunden, denn unser „Chef der Woche“ hält es wohl wie mit der Musiksprache des Komponisten und spricht auch nicht zuviel oder keine überflüssigen Sätze; er versucht hingegen in unseren Köpfen Bilder zu den Themen und Stimmungen zu erschaffen, in dem er uns Landschaften oder manchmal auch phantastische Figuren beschreibt, die er sich zu den musikalischen Motiven vorstellen kann. Gleich für den ersten Anfang in seiner leisen, aber düsteren Stimmung, zeichnete er mit wenigen Worten einen dunklen, nebelverhangenen Wald, aus dessen Tiefe sich das d-Moll entfaltet. An anderer Stelle im Verlauf erscheinen freche Kobolde oder im zweiten Satz befinden wir uns plötzlich in einer kleinen Kapelle, an deren Orgel der Holzbläser-Choral erklingt…
Derzeit lese ich mit meinen Kindern „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Das letzte Mal habe ich dieses wunderbare Buch gelesen, da war ich wohl gerade auch im Alter meines Sohnes jetzt, konnte mich an viele Details aber nun beim erneuten Lesen gar nicht mehr erinnern: ich staune mit jeder Seite immer mehr darüber, wie der Autor diese wahrlich großangelegte Geschichte, mit der Idee der Geschichte in der Geschichte, mit der Vielzahl an so phantasievoll ausgestalteten Wesen, Landschaften und dazugehörigen Namen erfinden, ja erschaffen konnte. Wir haben von meiner Schwester ein noch dazu wunderschön ausgestaltetes Exemplar geschenkt bekommen, dessen letztes Bild gerade, wo wir heute stehengeblieben sind, eine Szene ist, als sich die Hauptfiguren Bastian und Atreju mit Gefolgschaft auf dem Weg zum Elfenbeinturm durch einen wirklich tiefen Wald mit riesenhaften Bäumen schlagen müssen. Dies möchte ich Ihnen zu den ersten Takten des ersten Satzes anhängen:

Bastian, der Retter Phantasiens, erschafft das Land mittels seiner Vorstellung und durch die Namensgebung wieder neu, mit jedem ausgesprochenen Wunsch vergisst er aber seine eigentliche Herkunft, bzw. die Erinnerung daran, wo er herkommt und wer er eigentlich war.
Ich bin sehr gespannt, welche Bilder bei der morgigen Probe auf uns Musiker warten und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Solisten des Violinkonzertes, von dem ich schon so viel gehört habe…
Herzliche Grüße,
Rut Bántay
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