„Wie die Tiere den Jäger begraben“
- Rut Bantay
- 9. Apr. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Apr. 2024

(Holzschnitt von Moritz von Schwind: Wie die Tiere den Jäger begraben)
Zusammen mit der Rückkehr unseres Chefdirigenten Michael Francis nach Ludwigshafen zum heutigen Projekt-Start haben auch wir Orchestermusiker uns wieder zur großen sinfonischen Besetzung zusammengefunden: für die Konzerte ab Donnerstag und unser Abo-Konzert am Sonntag um 18Uhr im Rosengarten Mannheim stehen das Klarinetten-Konzert von John Corigliano mit Paul Meyer als Solist und die erste Sinfonie von Gustav Mahler auf dem Programm.
Heute, am ersten Probentag, haben wir gleich beide Werke, sogar einschließlich unseres Solisten, geprobt. Dies ist relativ ungewöhnlich, aber gerade bei modernen Werken wie dem Klarinettenkonzert sehr hilfreich, denn wir spielen das Stück ja auch zum ersten Mal und man hat so länger Zeit, sich mit dem Notentext vertraut zu machen und „Einzuhören“. Auf Anhieb fand ich gleich den langsamen Mittel-Satz „Elegy“ ansprechend. Es liegt vielleicht in der Natur des Musikers immer Vergleiche zu anderen Komponisten oder Stilrichtungen zu suchen, denn im weiteren Sinne erinnerten mich die klagenden, leisen Klänge, - besonders schön die Zwiesprache unserer Konzertmeisterin mit dem Solisten-, an Arvo Pärt oder auch etwas an die Tonsprache Schostakowitschs. Eine Besonderheit ist die „Gabrieli-Technik“ im letzten Satz. Einige Holz- und Blechbläsergruppen stehen entfernt, vermutlich später im Saal oder den Emporen platziert, und spielen von diesen Extra-Plätzen aus. Diese Art der Aufstellung hat beispielsweise schon der Barockkomponist Giovanni Gabrieli in einigen seiner Werke vorgesehen, um die verschiedenen Emporen der Kirchen zu nutzen und so ganz plastisch eine Mehrchörigkeit zu erreichen.
Zunächst haben wir uns aber mit der Sinfonie von Gustav Mahler beschäftigt und alle Sätze durchgespielt und auch Teile schon geprobt. Das Werk hat eine etwas verworrene Rezeptionsgeschichte: Mahler hat sie in kurzen zwei Monaten 1888 geschrieben, musste sich aber vorab schon einige Jahre damit beschäftigt haben. Zunächst konnte er sich gar nicht entscheiden, ob er eine sinfonische Dichtung oder Sinfonie schreiben wollte und es gibt thematisch und literarisch viele verschiedene Einflüsse. Zur Uraufführung 1889 fügte Mahler sogar Werk- und Satztitel bei, später gar ein ganzes Programm, welches er aber dann wieder zurücknahm und erst 1899, nach mehreren Umarbeitungen wurde die erste Sinfonie in der noch heute gespielten viersätzigen Fassung aufgeführt.
Die Themen, besonders der Sätze eins bis drei, sind bekannt und eingängig wie im ersten Satz das Lied „Ging heut morgen übers Feld“ aus seinem Zyklus „Lieder eines fahrenden Gesellen“, oder natürlich der Volkslied-Kanon „Frére Jacques“ im dritten Satz. Ich habe mich immer schon gefragt, warum Mahler diesen in Moll zitiert, aber die Variante ist wohl in Österreich auch genauso geläufig. So mutet der Anfang mit der Pauke und den klagenden Kontrabässen, die das Thema vorstellen, wie ein Trauermarsch an; vermutlich hat oben abgebildeter Holzschnitt Mahler auch zu dem Satz inspiriert.
Im Vorfeld unseres Projektes hatte ich mich mit unserem Solokontrabassisten darüber unterhalten, denn meistens, so kannte ich die Stelle jedenfalls, wird diese wie in den Noten bezeichnet, nur von einem Bassisten solistisch gespielt, dann aber auch öfter ohne den „sordino“ zu benutzen. Diese wenigen Takte sind „berühmt-berüchtigt“: jeder Kontrabassist, der ein Probespiel für eine Stimmführer-Position im Orchester macht, muss das Bruder-Jakob-Thema aus der Sinfonie in der dritten Orchesterstellen-Runde vorspielen; es liegt recht unangenehm durch die großen Intervalle, den lang gezogenen Melodiebögen, für die ein Bogenstrich kaum ausreicht und dem vorgeschriebenen Dämpfer, der es noch erschwert, bzw. auf den Orchester-Kontrabässen ist es wieder ganz anders vom Spielgefühl her und in der vorgesehenen Lage nicht von selbst gut klingend. Jedenfalls ist die Bezeichnung „Solo“ wohl umstritten, denn eigentlich, so unser Chefdirigent, wollte Mahler, dass die ganze Gruppe spielt, die damaligen Kontrabassisten führten dies aber zu uneinheitlich oder unsauber aus und so sollte letztlich nur einer alleine jenes Thema übernehmen; beides ist bei unseren Kontrabassisten natürlich nicht der Fall, daher spielen alle zusammen „Bruder Jakob“ in Moll.
Ich bin nun erst mal sehr gespannt auf die nächsten Probentage und freue mich besonders darauf, dieses Programm an vier Spielorten von Pirmasens, Worms über Wörth bis Mannheim, aufführen zu können.

Vielleicht sehen wir uns dann an einem der Konzertabende, spätestens am Sonntag in Mannheim?
Herzliche Grüße,
Rut Bantay
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