Gemalte Musik
- Rut Bantay
- 16. Nov. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Apr.
Dieser Blog ist auch dafür gedacht, dem ein oder anderen unser Konzertprogramm (noch) näher zu bringen und dadurch vielleicht Neugierde zu wecken und Lust zu machen als Publikum dabei zu sein. Diese Woche schwärmen wir also endlich wieder aus und spielen unser derzeitiges Projekt gleich dreimal, heute in Landau, morgen in Kaiserslautern und zuletzt am Samstag in Ludwigshafen. Ich bin so glücklich, denn diesmal muss man hier gar keine Werbetrommel rühren, weil die Konzerte heute und beim quasi Heimspiel schon ausverkauft sind: das ist phantastisch! Aber vielleicht gibt es ja in Kaiserslautern noch die Möglichkeit in der Fruchthalle dabei zu sein. Das Programm ist wieder wunderbar und sehr abwechslungsreich! Da gibt es die "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky in der Orchesterfassung von Ravel, das Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold mit Stefan Jackiw als Solist. Heute in der Generalprobe lieferte uns unser Chef ein treffendes Zitat zu dem herrlich-farbenreichen und wunderbar romantischen Konzert: diese Musik sei wie Schlagsahne auf dem leckersten Kuchen, den man sich vorstellen kann. Und das Beste dabei: man muss überhaupt nicht um seine schlanke Linie fürchten, wenn man den feinsinnigen Melodien lauscht, dem herrlich zarten und glockenklaren Violinspiel unseres Solisten. Auch wir im Orchester müssen sehr durchsichtig und zurückhaltend in der Tongebung begleiten, bis auf beim handfesteren Cowboyhaften letzten Satz.
Für mich das (Haupt)Werk des Abends ist aber die Sinfonie "Mathis der Maler" von Paul Hindemith, obwohl wir damit das Konzert eröffnen.
Ich weiß heute nicht mehr so ganz genau, wie es dazu kam, dass ich dieses Werk damals in der Grundschule kennengelernt habe, vermutlich habe ich gerade kleine Stücke von Hindemith für Cello und Klavier gespielt, aber die Aufnahme mit Claudio Abbado und den Berliner Philharmonikern war eine meiner ersten selbstgekauften CDs. Mich spricht heute immer noch die formal sehr klare Komposition an, mit teilweise aber sehr sphärischen, ja himmlischen Klängen wie durch die Querflöte und in den Holzbläsern vertont und dann wieder die im Kontrast dazu stehenden dunklen Register, quasi deklamierend, auch die Celli. Hindemith hat seine Sinfonie nach Matthias Grünewald (1470-1528), dem Erschaffer des Isenheimer Altares und die einzelnen Sätze nach Szenen der Bilder benannt.
Meine Eltern, die beide u.a. Theologie studiert haben, haben meine Schwestern und mich früher immer schon mit in berühmte Kirchen, Dome und Basiliken mit der Aussicht auf ein "Belohnungseis" danach, geschleift. Besonders schaurig-spannend fand ich die teils sehr brutal-endenden Lebensläufe der dargestellten Märtyrer zu erfahren. Den Isenheimer Altar haben meine Eltern dann aber einmal alleine in Colmar besichtigt.
Die Sätze heißen 1.Engelskonzert, 2.Grablegung und 3.Die Versuchung des Heiligen Antonius; Letzteres Bild, welches auch auf dem CD-Cover abgebildet ist.
Laut unserem Chefdirigent bezieht sich Hindemith nicht nur auf das gemalte Meisterwerk, sondern indentifiziert sich gleichsam auch biografisch mit Matthias Grünewald. Dieser lebte und wirkte unter einem nicht gerade einfachen Kirchen-Oberhaupt, war also in seinem Schaffen nicht frei und so ging es Hindemith während der Zeit des Dritten Reiches ebenso: ihm wurde "nahegelegt" nicht so modern und unverständlich zu komponieren, lieber etwas gefällig: nach der Uraufführung der Sinfonie und während der Arbeit an seiner späteren Oper Mathis der Maler wurde er dann sogar durch einen Komplott mit einem Aufführungsverbot belegt, welches trotz Einsatz des Dirigenten der Berliner Philharmoniker Kurt Furtwängler nicht zurückgenommen wurde. In der Folge entschloss sich Hindemith zur Emigration.
Hier wird mir wieder bewusst, wie kostbar es ist frei zu sein: frei in den Gedanken, Wirken und Handeln.
Vielleicht sehen wir uns sowieso heute Abend in Landau oder dann am Samstag in Ludwigshafen.
Sonst gibt es morgen um 19:30 in der Fruchthalle Kaiserslautern noch eine Möglichkeit für spontan Entschlossene!
Bis dahin,
Rut Bantay

Kommentare