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…wo bleibt eigentlich der „Hauptgang“?

  • Autorenbild: Rut Bantay
    Rut Bantay
  • 7. Jan.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Apr.

Unser dieswöchiges Programm fühlt sich eventuell für Sie wie ein Restaurant-Besuch an, der verheißungsvoll startet, vielleicht mit einer „Begrüßung“ aus der Küche, gefolgt von einer überdimensionierten Vorspeisenplatte mindestens für zwei Personen, aber dann…? Nach und nach kommt nichts weiter mehr als Salat, Suppe und etwas Sättigungsbeilage auf den Tisch. Tja, da haben Sie wohl das falsche Lokal gewählt, denn bei uns hat doch alles seine Richtigkeit:


Wenn man so will besteht unser Programm morgen in Mainz und am Freitag in Kaiserslautern nämlich nur aus Hauptwerken:

Johannes Brahms schrieb sein Violinkonzert während seines Sommeraufenthalts 1878 in Pörtschach am Wörthersee und in diese wunderschöne, landschaftliche Kulisse hineinversetzt, fühlt man sich auch bei den Anfangstakten, die so ungetrübt-freundlich dahin fließen, wie die Morgenstunden in der Sommerfrische. Brahms war schon 45Jahre alt und hat dennoch gezögert, das von ihm erwartete Violinkonzert zu schreiben. Vielleicht fühlte er sich durch Beethovens und Mendelssohns Meisterwerke dieser Gattung etwas eingeschüchtert oder als Pianist wusste er nicht so gut einzuschätzen, wie er den Violinpart wirklich ausgestalten sollte. Glücklicherweise konnte ihm sein Freund, der berühmte Geiger Joseph Joachim mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dieser hat nicht nur einige Anregungen zu kleineren Veränderungen gegeben, sondern auch die Kadenz im ersten Satz geschrieben, die neben den Kadenzen für dieses Werk von Max Reger, Fritz Kreisler, Leopold Auer oder Jascha Heifetz und einigen anderen mehr, doch die - da Joachim eben mit Brahms eng zusammenarbeitete- wohl „Unmittelbarste“ ist.

Trotz der scheinbar gebräuchlichen äußeren Form, drei Sätze, schnell-langsam-schnell, weicht dieses Violinkonzert dennoch stark von allen bisherigen Instrumentallonzerten für die Violine ab. Eigentlich ist der Geigenpart nicht dazu angelegt, damit der Solist in erster Linie brillieren und in Virtuosität glänzen kann, sondern vielmehr sind Letzterer und das Orchester eng miteinander verwoben und das Werk oder zumindest der erste, längste Satz mutet fast sinfonisch an. Der Dirigent Hans von Bülow ging sogar in seiner Kritik so weit zu sagen, Brahms hätte mehr ein Stück „gegen die Violine als für sie“ geschrieben. Naja, wenn man sich die Durchführung nach Vorstellung aller Themen in der Exposition ( - übrigens für mich ist das allerschönste lyrische Thema hier zu finden! -) anhört, gewinnt man schon den Eindruck eines Kampfes, als ob die Geige das Orchester zu bändigen versucht.

Umso harmonischer dann der zweite, langsame Satz. Wobei es auch hier Kritik hagelte: der Violinvirtuose Sarasate wollte Brahms’ Konzert nicht spielen, weil er keine Lust hatte, sich erst mal lange wartend die Bläsereinleitung anhören zu müssen und andererseits auch noch das wunderschöne Thema durch die Oboe bereits vorgesetzt bekommen zu haben. Man kann es aber auch ganz anders auffassen, und so wirkte auch unser Solist Julian Rachlin heute in der Probe auf mich: welch ein Genuss, dem phantastisch geführten Bläsersatz mit der darüber schwebenden Oboe zuhören zu können und andererseits doch auch eine kurze Möglichkeit, nach dem langen und schwierigen ersten Satz etwas zu erholen.

Der dritte und letzte Satz „Allegro giocoso, ma non troppo vivace“ verrät auch gleich „das Programm“: dies ist ein feurig-ungarisch angehauchtes Tanz-Rondo, jetzt wirklich effektvoll im Violinpart, aber auf Wunsch Joachims eben zugunsten der technischen Raffinessen mit dem Beisatz „fröhlich verspielt, aber doch nicht zu lebhaft (im Tempo)“ überschrieben.

Ich weiß nicht, vielleicht mag es auch daran liegen, dass wir das Brahms Violinkonzert nun schon etwas länger nicht auf dem Programm hatten, aber ich war wirklich hingerissen bei unserer heutigen Probe! Natürlich liegt dies ganz klar an dem wahnsinnig wunderbar ausgestalteten Spiel unseres Solisten, bei dem man bei jeder Phrase das Gefühl hat, er liest gleichsam während er spielt in der Partitur und „spinnt in seiner Aufmerksamkeit für alle Stimmen ein Netz an goldenen Fäden durch das ganze Orchester(…)“. So fasste es jedenfalls für mich absolut treffend Heike Schuhmacher, unsere Mitarbeiterin der Musikvermittlung, die eine Gruppe Senior*innen beim Probenbesuch begleitete, zusammen. Ich freue mich riesig auf die beiden Konzerte mit Julian Rachlin!

Nach der Pause spielen wir drei Konzertouvertüren, „In der Natur“, „Karneval“ und „Othello“ von Antonín Dvorák; Komisch? Wo ist denn nun die Sinfonie? Unser Chefdirigent Michael Francis hat dazu die überzeugende Antwort: betrachtet man die drei Ouvertüren nicht alleinstehend, sondern sieht man sie in dem großen Zusammenhang einer Trilogie, so spiegeln sie allumfassend das Leben wieder: angefangen in der Natur, geht es weiter bei „Karneval“ um Spiel und Freude und endet schlussendlich bei „Othello“ mit dem Thema Liebe, in all ihren Facetten und auch Tragik.


Ich empfehle wärmstens: nehmen Sie den Weg nach Mainz oder Kaiserslautern auf sich und sie werden sicher nicht „Musik-hungrig“ nach Hause gehen!


Guten Appetit,

Ihre Rut Bántay



 
 
 

1 Comment


Christiane
Jan 08

Tolle Werbung,superschön geschrieben!

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